Die deutschen Preisvorschriften gelten grundsätzlich
auch dann, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer
Versandapotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union an Endverbraucher in Deutschland abgegeben werden. Das hat der
Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes heute in Karlsruhe
entschieden.
Im zugrundeliegenden Fall, der beim I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs anhängig ist, hatte die Beklagte, eine in den
Niederlanden ansässige Apotheke, im Wege des Internet-Versandhandels
Medikamente für den deutschen Markt angeboten und mit einem Bonussystem
geworben, nach dem der Kunde beim Kauf verschreibungspflichtiger
Medikamente auf Kassenrezept einen Bonus von 3% des Warenwertes,
mindestens aber 2,50 € und höchstens 15,00 € pro verordneter Packung
erhalten sollte. Der Bonus sollte unmittelbar mit dem Rechnungsbetrag
oder im Rahmen einer künftigen Bestellung verrechnet werden.
Die Klägerin, die im Inland eine Apotheke betreibt,
sieht darin einen Verstoß gegen die im Arzneimittelrecht für
verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden
Preisbindungsvorschriften. Sie hat die beklagte Versandapotheke auf
Unterlassung der Ankündigung und Gewährung der Boni in Anspruch
genommen.
Der I. Zivilsenat des BGH hat die Frage, ob deutsches
Arzneimittelpreisrecht auch für den Apothekenabgabepreis
verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt, die im Wege des
Versandhandels von einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union ansässigen Versandapotheke im Inland in den Verkehr gebracht
werden, bejahen wollen.
Er hat sich hieran aber durch eine Entscheidung
des 1. Senats des Bundessozialgerichts gehindert gesehen. Der 1. Senat
des BSG hatte 2008 in anderem Zusammenhang entschieden, dass das
deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandapotheken gilt, die aus
dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher schicken.
Der I. Zivilsenat des BGH hat die Frage deshalb dem Gemeinsamen Senat
der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt.
Der Gemeinsame Senat hat nunmehr entschieden, dass
die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende
Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die
verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher
abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen. Dies ergibt
sich insbesondere aus § 78 Abs. 1 und 2 AMG. Diesem Ergebnis steht weder
primäres noch sekundäres Unionsrecht entgegen. Die deutsche Regelung
verstößt nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit. Es handelt sich nicht um
eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV.
Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10
Karlsruhe, den 22. August 2012
*Nähere Angaben zu den zugrundeliegenden gesetzlichen
Bestimmungen und zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des
Bundesgerichtshofs können dem Terminhinweis vom 14.8.2012 entnommen
werden (Pressemitteilung des BGH 127/12 vom 14.8.2012).
Pressemitteilung Bundesgerichtshof, Nr. 135/2012 vom 22.8.2012