Mittwoch, 13. November 2013

Freihandelsabkommen: Verbraucherschutz nicht aufweichen

Ab diesem Montag (11.11.2013 - d. Red.) setzen die EU und die USA ihre Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen fort. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert die Verhandlungsführer auf, die Rechte der Verbraucher nicht abzuschwächen.

„Sinnvolle Erleichterungen für den transatlantischen Handel dürfen nicht auf Kosten der europäischen und amerikanischen Verbraucher gehen“, sagt Helga Springeneer, Leiterin Verbraucherpolitik im vzbv. Zudem dürfe nicht weiter hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Wesentliche Dokumente müssten veröffentlicht und ein Beratergremium mit Repräsentanten der Zivilgesellschaft eingesetzt werden.

Die Verhandlungen bergen aus Sicht des vzbv das Risiko, dass das Niveau des Verbraucherschutzes abgesenkt wird. Im Mittelpunkt stehen nicht Warenzölle als Handelshemmnis, sondern Schutz- und Kennzeichnungsregeln sowie Sicherheits- und Zulassungsstandards. Damit
stehe das Herzstück des Verbraucherschutzes zur Disposition.

Das Risiko der „gegenseitigen Anerkennung“

Derzeit ist davon auszugehen, dass sich das Abkommen unter anderem mit Bestimmungen zu Lebensmitteln, Chemikalien, Pharmazeutika, Medizinprodukten, Nanotechnik, zum Datenverkehr, Finanzmarkt, E-Commerce und geistigen Eigentum befassen wird. In diesen Bereichen gibt es unterschiedliche Anschauungen und Regelungen, die den Handel einschränken oder verteuern können. Um solche Handelshemmnisse zu beseitigen, verständigt man sich in Abkommen häufig auf die „gegenseitige Anerkennung“.

Damit wären zum Beispiel alle US-amerikanischen Produkte und Dienste im europäischen Binnenmarkt gestattet, solange sie den US-Vorgaben entsprechen. „Das Anerkennungsprinzip klingt im ersten Moment einleuchtend, unbürokratisch und kostensparend, es belastet aber Verbraucher und Produzenten“, sagt Helga Springeneer. Verbraucher könnten sich zum Beispiel bei Lebensmitteln nicht auf einheitliche Hygiene- und Sicherheitsstandards verlassen. Produzenten, für die strenge heimische Regeln gelten, könnten Wettbewerbsnachteile erleiden.

Die mögliche Folge: Strengere nationale Regeln werden zugunsten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit aufgeweicht. Das wäre ein herber Rückschlag beispielsweise für solche Erzeuger, die auf eine regionale und ressourcenschonende Wertschöpfungskette setzen. Ein Freihandelsabkommen, das bei Verbraucherschutzregeln auf die gegenseitige Anerkennung setzt, würde diese einschränken, statt ihnen Raum für ihre Fortentwicklung zu geben. Der vzbv fordert deshalb zusammen mit dem Dachverband der europäischen Verbraucherorganisationen BEUC und dem Ausschuss von europäischen und US-amerikanischen Verbraucherorganisationen TACD (Trans Atlantic Consumer Dialogue), dass die jeweils höheren Verbraucherschutzstandards Maßstab für das Freihandelsabkommen werden

Kein ACTA II

Die Regelungen zum Verbraucher-, Umwelt- oder Klimaschutz sind nicht bloße Handelsregeln, sondern Eckpfeiler einer modernen, nachhaltigen und zukunftsgerichteten Gesellschaft. Der vzbv spricht sich deshalb dafür aus, dass nicht nur Industrievertreter über ein Beratergremium in die Verhandlungen involviert werden, wie dies auf amerikanischer Seite der Fall ist. Schon einmal ist in jüngster Zeit ein Handelsabkommen an der intransparenten Verhandlungsführung gescheitert: ACTA, das Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen. „ACTA ist ein Lehrstück dafür, dass Verhandlungen, die zentrale zivilgesellschaftliche Anliegen betreffen, nicht mehr unter vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden können. Für das EU-USA-Freihandelsabkommen brauchen wir eine demokratische Kultur“, sagt Springeneer.

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