Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er starb im Februar 2012. Der Sohn muss nun trotzdem einen Gesamtbetrages von 9.022,75 € für die Pflege des Vaters zahlen.
Pressemitteilung des BGH dazu:
Keine Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt bei einseitigem Kontaktabbruch des Unterhaltsberechtigten
gegenüber seinem volljährigen Sohn
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige
XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein vom
Unterhaltsberechtigten ausgehender einseitiger Kontaktabbruch gegenüber
seinem volljährigen Sohn für eine Verwirkung seines Anspruchs auf
Elternunterhalt allein regelmäßig nicht ausreicht.
Die Antragstellerin, die Freie Hansestadt Bremen,
verlangt von dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht Elternunterhalt.
Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971; ihre
Ehe wurde noch im selben Jahr geschieden. Der Antragsgegner verblieb im
Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu
seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahr 1972 brach der Kontakt
des volljährigen Sohnes zu seinem 1923 geborenen Vater ab.
Dieser
bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer
Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er
ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte.
Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den "strengsten
Pflichtteil" erhalten solle. Erläuternd führte der Vater in dem
Testament aus, dass zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr
bestehe. Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er
starb im Februar 2012. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im
Hinblick auf die seinem Vater in der Zeit von Februar 2009 bis Januar
2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbachten Leistungen auf Zahlung eines
Gesamtbetrages von 9.022,75 € in Anspruch.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die
Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Antrag
zurückgewiesen, weil der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde.
Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des
Oberlandesgerichts auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben, die Beschwerde
zurückgewiesen und damit die amtsgerichtliche Entscheidung
wiederhergestellt. Der – zur Höhe unstreitige - Anspruch auf
Elternunterhalt war trotz des Kontaktabbruchs zu dem volljährigen Sohn
nicht nach § 1611 Abs. 1 BGB* verwirkt.
Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender
Kontaktabbruch stellt wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus
§ 1618 a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar
regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt aber nur bei Vorliegen
weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als
schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen
lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche Umstände sind im
vorliegenden Fall nicht festgestellt.
Zwar mag der Vater durch sein
Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt
haben. Andererseits hat er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines
Sohnes um diesen gekümmert. Er hat daher gerade in der Lebensphase, in
der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich
ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Die Errichtung des
Testaments selbst stellt keine Verfehlung dar, weil der Vater insoweit
lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht hat.
Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12
AG Delmenhorst – Beschluss vom 27. März 2012 – 22 F 125/11 UK
OLG Oldenburg Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 14 UF 80/12
FamRZ 2013, 1051
Karlsruhe, den 12. Februar 2014
* § 1611 Abs. 1 BGB
Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches
Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht
gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich
vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen
oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht,
so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der
Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt
ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig
wäre.
Quelle: Pressemitteilung des BGH