Mittwoch, 10. September 2014

Urteil: Zahnbehandlung nach unzureichender Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten muss nicht bezahlt werden

Eine Frau wollte sich Zahnimplantate setzten lassen. Dazu muss man wissen, dass  genug Kieferknochen dafür vorhanden sein muss. Nur dann ist die nötige Tiefe und Festigkeit für ein Implantat gegeben.

Bei vielen Menschen bildet sich im Alter der Kieferknochen zurück. Dies kann auch dann geschehen (durchaus auch bei jungen Menschen) wenn z.B. eine Entzündung den Kieferkochen an der betroffenen Stelle "aufgefressen" hat. Oder durch Osteoporose, Hormonveränderungen, Mangelernährung etc. Auch gewisse Medikamente können den Knochenschwund begünstigen.

Die heute 56 Jahre alte Frau ließ beim Kieferchirurgen daher zuerst einen Knochenaufbau durchführen. Er wählte eine sehr teure und aufwändige Methode, wobei der benötigte Knochen durch "Eigenzüchtung" entstehen sollte.


So entstanden für die Frau insgesamt Kosten in Höhe von mehr als 90.000 Euro. Die Eigenknochenzüchtung allein verursachte hierbei schon ca. 15.000 Euro. Das Oberlandesgericht Hamm entschied nun in einem Urteil: "Eine kostenintensive Zahnbehandlung muss nicht bezahlt werden, wenn sich der Patient im Falle seiner ordnungsgemäßen Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten gegen die kostenintensive Behandlung ausgesprochen hätte."

Hier die offizielle Pressemitteilung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen dazu: 

Oberlandesgericht Hamm: Zahnbehandlung nach unzureichender Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten muss nicht bezahlt werden

Eine kostenintensive Zahnbehandlung muss nicht bezahlt werden, wenn sich der Patient im Falle seiner ordnungsgemäßen Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten gegen die kostenintensive Behandlung ausgesprochen hätte. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.08.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Detmold bestätigt.

Die heute 56 Jahre alte beklagte Patientin aus Bad Salzuflen ließ sich von September 2007 bis Juni 2008 von einem Kieferchirurgen in Hannover zahnärztlich behandeln. Die für den Kieferchirurgen klagende Abrechnungsgesellschaft hat von der Beklagten die Zahlung eines Anteils von ca. 16.000 Euro von den bislang mit ca. 42.000 Euro in Rechnung gestellten kieferchirurgischen Behandlungskosten verlangt. Der Kieferchirurg führte bei der Beklagten eine Implantatbehandlung mit Knochenaufbau durch, wobei der Aufbau des Ober- und Unterknochens durch gezüchtetes Knochenmaterial (Eigenknochenzüchtung) erfolgen sollte. Die Beklagte hat u.a. vorgetragen, nicht über andere Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt worden zu sein und auch nicht gewusst zu haben, dass bei der gewählten Behandlungsmethode Kosten in Höhe von mehr als 90.000 Euro anfallen würden. In Kenntnis der Kosten hätte sie der durchgeführten Behandlung nicht zugestimmt.

Die Rechtsverteidigung der Beklagten war erfolgreich. Ebenso wie das Landgericht hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm den geltend gemachten Honoraranspruch abgewiesen. Der Kieferchirurg habe die Beklagte nicht ordnungsgemäß über andere Behandlungsmöglichkeiten und deren Risiken aufgeklärt. Im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung hätte sich die Beklagte gegen die kostenintensive Behandlung mit der Eigenknochenzüchtung entschieden. Dann wären die dem geltend gemachten Honoraranspruch zugrunde liegenden zahnärztlichen Leistungen nicht angefallen.

Der vom Senat angehörte Sachverständige habe festgestellt, dass neben der Eigenknochenzüchtung die Verwendung von Knochenersatzmittel und die Knochenentnahme aus dem Beckenkamm als weitere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gekommen seien. Im Rahmen seiner Patientenaufklärung habe der behandelnde Kieferchirurg unstreitig nur auf die Knochenentnahme als alternative Behandlungsmöglichkeit hingewiesen.

Dabei habe er die Risiken der Eigenknochenzüchtung, die allein Kosten von ca. 15.000 Euro verursacht habe, verharmlost. Mit dieser Methode sei es schwierig, den bei größeren Defekten erforderlichen dreidimensionalen Aufbau zu erreichen. Demgegenüber habe er die Risiken der Knochenentnahme übertrieben dargestellt, weil - entgegen seinen geäußerten Bedenken - bei der Patientin aus beiden Beckenkämmen genügend Knochenmaterial habe entnommen werden können.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.08.2014 (26 U 35/13)

Quelle: Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen


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