Dienstag, 3. Mai 2016

Förderung von E- und Hybridautos: gut für die Umwelt, aber unfair für arme Menschen?

Eigentlich kann man diese Situationen nicht wirklich über einen Kamm scheren; aber im Hinblick darauf, dass die Regierung den Kauf von E- und Hybridautos mit 4000 bzw. 3000 € fördern will (wir berichteten darüber u.a. hier) sollte man sich auch einmal mit der Mobilität und dem Leben der Menschen auseinander setzen, die sich die Anschaffung eines solchen oder anderen Gefährts nicht leisten können, weil sie schlicht das Geld dafür nicht haben.

Und das, obwohl auch ihre Steuergelder dazu beitragen, die Förderung und alle Profiteure davon zu fianzieren.

Der Berliner Autor und Aktivist Raul Krauthausen, der wegen seiner Erkrankung Osteogenesis imperfecta (umgangssprachlich als „Glasknochen“ bezeichnet) für seine Mobilität auf einen Rollstuhl angewiesen ist und der auch im Internet sehr präsent ist, machte mit einem Tweet mehr als nachdenklich; er schrieb dies hier (kann man auch ohne Registrierung lesen): twitter.com/raulde

Herr Krauthausen, Gründer der Aktionsgruppe SOZIALHELDEN, Initiator von Wheelmap.org , Träger des Bundesverdienstkreuzes und Autor des Buches „Dachdecker wollt ich ja eh nicht werden“ macht damit darauf aufmerksam, dass viele Behinderte aufgrund ihrer Situation nicht ausreichend für ihre Arbeit entlohnt werden - jedenfalls nicht so ausreichend, dass sie ihr Leben und die mit der Erkrankung verbundenen Mehrausgaben aus eigener Tasche bezahlen können.

Falls sie denn überhaupt eine bezahlte Arbeit finden.

Sie müssen finanziell vom Staat unterstützt werden, was freilich auch ihr gutes Recht ist. Aber jetzt kommt´s: Wer vom Staat finanziell unterstützt wird, darf so gut wie nichts mehr an Ersparnissen besitzten. Ganze 2600 € sind da erlaubt.

Diese Regelung trifft übrigens auch allgemein Menschen, die auf einen finanziellen Zuschuss vom Staat angewiesen sind. Und für 2600 € bekommt man garantiert kein E- oder Hybridauto - und logischerweise dann auch keine entsprechende Förderung.

Und was die öffentlichen Verkehrsmittel betrifft: es gibt Städte/Gebiete, da gibt es ein "Sozialticket", das gibt es aber längst nicht überall;  in Deutschland existiert dazu bislang keine einheitliche Gesetzgebung.

Zum Vergleich: im derzeitigen Regelbedarf  sind die Fahrtkosten mit 22,78 € eingeschlossen (Stand Mai 2016). Wie es die einzelnen Bundesländer mit diesem "Sozialticket" halten erklärt Wiki hier. Zwar erhalten z.B. Menschen mit nachgewiesener Gehbehinderung in der Regel einen Extra-Tarif; Menschen ohne eine entsprechende Behinderung haben keinen Anspruch darauf.

Unter "Ersparnisse" versteht man übrigens z.B. auch die Briefmarkensammlung, geerbt vom Opa oder die Zinntassensammlung von der Tante etc. -  der Wert dieser Teile senkt entsprechend die Sparobergrenze von 2600 € , so dass Betroffene, wenn z.B. entsprechende Zuzahlungen beim Zahnarzt anfallen oder andere "Katastrophen" eintreffen, diese oft sehr geliebten Erinnerungsstücke zu Geld machen müssen.

So ist es Herrn Krauthausen und sehr vielen anderen Menschen hierzulande kaum möglich, mal privat auszuspannen, eine schöne Reise zu machen oder sich sonst etwas zu gönnen. Von einem E- oder Hybridauto mal komplett abgesehen. Da wird dann schon das Stück Kuchen mit der Tasse Kaffee beim Bäcker zum Luxus.

Hier ist noch ein empfehlenswerter, etwas älterer Artikel speziell zum Thema Behinderung und Ersparnisse: spiegel.de


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