Mittwoch, 17. Juni 2015

Urteil Europäischer Gerichtshof: Ankauf von Staatsanleihen der EZB ist mit dem Unionsrecht vereinbar

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte im September 2012 angekündigt, Staatsanleihen von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets an den Sekundärmärkten* zu erwerben, sofern bestimmte Voraussetzungen dafür gegeben sind. Dieses angekündigte Programm wird im Fachsprech "OMT-Programm" genannt ( = Outright Monetary Transactions; übersetzt etwa: endgültige Geldgeschäfte; siehe dazu auch Outright-Geschäfte)

*Die EZB kann selbst direkt keine Staatsanleihen von den Mitgliedsstaaten kaufen; sie kann die Anleihen aber über ihre Mitgliedsbanken beziehen, die zuerst diese Anleihen gekauft haben = Sekundärmarkt.

Seit März 2015 läuft mittlerweile bereits ein Ankaufprogramm (praktisch aber noch nicht das angekündigte "OMT-Programm") mit dem die EZB riskante Staatsanleihen kauft, um die Zinsen für die betroffenen Länder zu senken, damit diese dann weniger für Kredite zahlen müssen und zahlungsfähig bleiben. Das Volumen dieser Käufe beläuft sich derzeit auf 60 Milliarden Euro monatlich.



Die EZB begründet nach eigenen Angaben ihr geplantes OMT-Programm damit, dass sie festgestellt hat, dass die Zinsen auf die Staatsanleihen bestimmter Staaten des Euro-Währungsgebiets eine hohe "Volatilität" und "extreme Unterschiede" aufwiesen.

Erklärung: je mehr "Volatilität" desto stärker die Schwankungen der Zinsen; und dies erhöht das Risiko der Anleihen (und die Bereitschaft, solche riskanten Papiere zu kaufen, sinkt -  zumindest bei potenziellen Anlegern, die sich durch den Ankauf einen steten und möglichst hohen Zinsertrag versprechen).

Die EZB ist der Auffassung, dass diese Schwankungen und das damit verbundene Risiko der betroffenen Staatsanleihen nicht nur mit der Wirtschaftslage der Staaten zu tun hat, sondern auch damit, dass auf die betroffenen Staatsanleihen überhöhte Risikoaufschläge verlangt worden seien. Und dies gefärde den Zusammenhalt des Euro-Währungsgebiets.

Die EZB behauptet*, dass allein die Ankündigung dieses Programms genügt habe, um die angestrebte Wirkung, d. h. die Wiederherstellung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus und der Einheitlichkeit der Geldpolitik, zu erzielen.

*Diese Behauptung ist vor dem Gerichtshof nicht bestritten worden.

Beim Bundesverfassungsgericht von Deutschland gab es zuvor mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das geplante OMT-Programm. Diese Verfassungsbeschwerden wurden durch mehrere Gruppen von Privatpersonen, darunter eine mit mehr als 11 000 Beschwerdeführern, erhoben. Das Organstreitverfahren wurde von der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag eingeleitet.

Begründet wurden die Vefassungsbeschwerden damit, dass das OMT-Programm nicht unter das Mandat der EZB falle und gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets verstoße. Außerdem werde durch dieses Programm das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verletzt und dadurch die deutsche Verfassungsidentität beeinträchtigt.

In seinem aktuellen Urteil vom 16.06.2015 stellte der Europäische Gerichtsfoh dagegen fest, dass das OMT-Programm in Anbetracht seiner Ziele und der zu ihrer Erreichung vorgesehenen Mittel zum Bereich der Währungspolitik gehört und damit zu den Befugnissen des Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) zählt. Der Gerichtshof stellte weiter fest, dass das OMT-Programm auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

Der Europäische Gerichtshof hat damit beschlossen, dass die Unionsverträge das ESZB dazu ermächtigt, ein Programm wie das OMT-Programm zu beschließen.

Quelle und weitere Details zum Urteil (PDF, 176 KB): Pressemitteilung Europäischen Gerichtshof, Nr. 70/15 vom 16.06.2015

So geht es jetzt weiter: Der Gerichtshof hat in dem Urteil hervorgehoben, dass er nicht über den nationalen Rechtsstreit entscheidet. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Für Deutschland ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe jetzt dafür zuständig, eine Entscheidung zu treffen, ob es sich dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs anschließt oder nicht.

Übrigens: Die Einzahlungen in private Rentenversicherungen werden auch in Staatsanleihen angelegt. Mit den dadurch gewonnenen Zinsen werden die privaten Renten bezahlt. Auch andere private Versicherungen wie z.B. Lebensversicherungen setzen auf Staatsanleihen. Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, könnte da zynisch auf dieses Fazit kommen: Nichts im Leben ist sicher; auch keine private Versicherung...

Hier ist ein lesenswerter Artikel bei den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Gauweiler: EuGH-Urteil ist Kriegs-Erklärung an Bundesverfassungs-Gericht

Beliebteste Artikel