Hier die Pressemitteilung des BGH dazu:
Ausbildungsunterhalt für eine Erstausbildung auch nach dreijähriger Verzögerung durch Praktika und Aushilfstätigkeiten möglich
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Reichweite des
Ausbildungsunterhalts für volljährige Kinder entschieden.
Die 1989 geborene Antragstellerin lebte nach der
Trennung ihrer Eltern im Jahr 1997 zunächst im Haushalt des Vaters in
den Niederlanden, bevor sie 2003 zu ihrer Mutter nach Deutschland
wechselte. Dort erwarb sie 2007 die mittlere Reife mit einem
Notendurchschnitt von 3,6. Anschließend trat sie als ungelernte Kraft in
verschiedene
Beschäftigungsverhältnisse ein und leistete Praktika zum Teil in der Erwartung, auf diese Weise Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu erhalten. Dadurch deckte sie ihren Unterhaltsbedarf in der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2010 selbst ab. Im August 2010 begann sie eine Ausbildung als Fleischereifachverkäuferin.
Beschäftigungsverhältnisse ein und leistete Praktika zum Teil in der Erwartung, auf diese Weise Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu erhalten. Dadurch deckte sie ihren Unterhaltsbedarf in der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2010 selbst ab. Im August 2010 begann sie eine Ausbildung als Fleischereifachverkäuferin.
Das Familiengericht hat ihren Vater, den
Antragsgegner, dazu verpflichtet, rückständigen Ausbildungsunterhalt ab
September 2010 und laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 218,82 € zu
zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners
zurückgewiesen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist der aus §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf
Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem
Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom
Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung der Eltern auf
Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Kindes die
Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit
in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Verletzt das Kind
nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig
aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein
und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch
Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.
Mit seiner heutigen Entscheidung hat der
Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch eine dreijährige Verzögerung
der Aufnahme einer Erstausbildung infolge zwischenzeitlich geleisteter
Praktika und ungelernter Tätigkeiten noch der Obliegenheit des Kindes
entsprechen kann, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen.
Bewerber mit schwachem Schulabgangszeugnis seien
verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem
Berufsbild zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete
Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine
(zunächst) ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen. Die Aufnahme solcher
vorgelagerter Beschäftigungsverhältnisse bedeute daher jedenfalls dann
keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung, wenn sie in dem Bemühen um
das Erlangen eines Ausbildungsplatzes geschehe.
Die maßgeblichen Normen des BGB lauten wie folgt:
§ 1601 Unterhaltsverpflichtete
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
§ 1610 Maß des Unterhalts
(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).
(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf
einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf,
bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der
Erziehung.
Beschluss vom 3. Juli 2013 - XII ZB 220/12
AG Mayen – 8b F 585/10 – Beschluss vom 13. Oktober 2011
OLG Koblenz – 13 UF 1081/11 – Beschluss vom 28. März 2012
Karlsruhe, den 3. Juli 2013