Freitag, 17. August 2012

Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren („Luftsicherheitsgesetz“)

Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht:

Das Plenarverfahren hat seinen Ursprung in dem von der Bayerischen und 
der Hessischen Staatsregierung anhängig gemachten Verfahren der 
abstrakten Normenkontrolle, in dem der Zweite Senat des 
Bundesverfassungsgerichts darüber zu entscheiden hat, ob § 13, § 14 Abs. 
1, 2 und 4 und § 15 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) mit dem Grundgesetz 
vereinbar sind (2 BvF 1/05; vgl. Pressemitteilung Nr. 140/2009 vom 21. 
Dezember 2009). Die Vorschriften regeln die Voraussetzungen und 
Modalitäten, unter denen die Streitkräfte zur Abwehr besonders schwerer 
von Luftfahrzeugen ausgehender Unglücksfälle eingesetzt werden können. 

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte in dem 
Normenkontrollverfahren das Plenum angerufen, da er beabsichtigte, von 
Rechtsauffassungen abzuweichen, die dem Urteil des Ersten Senats vom 15. 
Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz (1 BvR 357/05; vgl. 
Pressemitteilung Nr. 11/2006 vom 15. Februar 2006) zugrunde liegen. 
 
Mit diesem Urteil hatte der Erste Senat die Bestimmung des § 14 Abs. 3 
LuftSiG, der die Streitkräfte zum Abschuss als Waffe gegen das Leben von 
Menschen eingesetzter Luftfahrzeuge ermächtigte, unter anderem wegen 
Verstoßes gegen das Grundrecht auf Leben und gegen die Menschenwürde für 
verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Entscheidung des Ersten 
Senats stützte sich dabei auf die Annahmen, 
1. dass sich die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Regelungen der 
§§ 13 bis 15 LuftSiG nur auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG stützen 
lasse, wonach die Streitkräfte zur regionalen und überregionalen 
Unterstützung der Polizeikräfte der Länder bei Naturkatastrophen oder 
einem besonders schweren Unglücksfall eingesetzt werden können, 
2. dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einen Einsatz der 
Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht zulasse, und 
3. dass die in § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG geregelte Eilkompetenz 
des Bundesverteidigungsministers in Fällen des überregionalen 
Katastrophennotstandes nicht mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar sei, 
der eine Entscheidung der Bundesregierung verlange. 

Diese drei Rechtsauffassungen hat der Zweite Senat mit Beschluss vom 3. 
Mai 2011 zum Gegenstand der Vorlage an das Plenum gemacht. 

Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat über die Vorlagefragen wie 
folgt entschieden: 
1. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Regelungen der §§ 
13 bis 15 LuftSiG ergibt sich nicht aus Art. 35 Abs. 2 und 3 GG, sondern 
aus Art. 73 Nr. 6 GG a. F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG), der dem Bund 
die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr zuweist. 
2. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG schließen die Verwendung 
spezifisch militärischer Waffen bei Einsätzen der Streitkräfte nach 
diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter 
engen Voraussetzungen zu, die insbesondere sicherstellen, dass nicht die 
strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz 
der Streitkräfte im Inneren durch Art. 87a Abs. 4 GG gesetzt sind. 
3. Der Streitkräfteeinsatz in Fällen des überregionalen 
Katastrophennotstandes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ist, auch in 
Eilfällen, nur aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung zulässig. 
Der Richter Gaier hat hinsichtlich der Vorlagefrage zu 2. ein 
Sondervotum abgegeben. 

Dem Plenarbeschluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: 

1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 

Die Bestimmungen der Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bieten für Bundesrecht, das 
den Einsatz der Streitkräfte im Katastrophennotstand regelt, keine 
ausdrückliche Kompetenzgrundlage. Ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnisse 
des Bundes in Sachnormen außerhalb des VII. Abschnitts des Grundgesetzes 
aufzusuchen, liegt in systematischer Hinsicht und nach dem Schutzzweck 
der föderalen Zuständigkeitsordnung nicht nahe. 

Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die §§ 13 ff. LuftSiG folgt als 
Annexkompetenz aus Art. 73 Nr. 6 GG a. F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 
GG), der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr 
zuweist. Soweit der Bund für ein bestimmtes Sachgebiet die 
Gesetzgebungszuständigkeit hat, steht ihm als Annexkompetenz auch die 
Gesetzgebungsbefugnis für die damit in einem notwendigen Zusammenhang 
stehenden Regelungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in 
diesem Bereich zu. Die Gesetzgebungszuständigkeit für den Luftverkehr 
umfasst als Annex jedenfalls die Befugnis, Regelungen zur Abwehr solcher 
Gefahren zu treffen, die gerade aus dem Luftverkehr herrühren. Die 
Bestimmungen der §§ 13 ff. LuftSiG enthalten ein eigenständiges 
Gefahrenabwehrrecht des Bundes. Sie regeln nicht nur die 
Mittelbereitstellung für den Fall der Unterstützung von 
Gefahrenabwehrmaßnahmen der Länder, sondern enthalten zugleich 
unmittelbar außenwirksame Ermächtigungen zum Streitkräfteeinsatz. 

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes mit 
spezifisch militärischen Waffen

Außer zur Verteidigung dürfen nach Art. 87a Abs. 2 GG die Streitkräfte 
nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. 
Die begrenzende Funktion dieser Regelung ist durch strikte Texttreue bei 
der Auslegung der grundgesetzlichen Bestimmungen über den Einsatz der 
Streitkräfte im Inneren zu wahren. Die Verfassung begrenzt einen 
Streitkräfteeinsatz im Inneren in bewusster Entscheidung auf äußerste 
Ausnahmefälle. Es ist jedoch weder durch den Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 
Satz 2 und Abs. 3 GG noch die Systematik des Grundgesetzes zwingend 
vorgegeben, dass der Streitkräfteeinsatz nach diesen Bestimmungen auf 
diejenigen Mittel beschränkt ist, die nach dem Gefahrenabwehrrecht des 
Einsatzlandes der Polizei zur Verfügung stehen oder verfügbar gemacht 
werden dürften. Vielmehr spricht der Regelungszweck, eine wirksame 
Gefahrenabwehr zu ermöglichen, für eine Auslegung, die unter den engen 
Voraussetzungen, unter denen ein Einsatz der Streitkräfte überhaupt in 
Betracht kommt, die Verwendung ihrer spezifischen Mittel nicht generell 
ausschließt. 
Auch eine Gesamtbetrachtung der Gesetzesmaterialien zwingt nicht zu der 
Annahme, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Beschränkung der 
einsetzbaren Mittel beabsichtigt hat. Aus der Gesetzgebungsgeschichte 
wird weder ein eindeutiger Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers 
hinsichtlich der in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG einsetzbaren 
Mittel noch eine klare Konzeption in der Frage des anwendbaren Rechts 
erkennbar. Zwar stand dem verfassungsändernden Gesetzgeber als typischer 
Anwendungsfall der Verfassungsbestimmungen zum Katastrophennotstand 
nicht die Abwehr von Gefahren durch ein als Angriffsmittel genutztes 
Luftfahrzeug, sondern vor allem die Erfahrung der norddeutschen 
Flutkatastrophe des Jahres 1962 vor Augen. Dies schließt es jedoch nicht 
aus, Art. 35 Abs. 2 und 3 GG auch auf andersartige von Wortlaut und 
Systematik der Vorschrift erfasste Gefahrenfälle anzuwenden, und zwingt 
nicht zu einer angesichts heutiger Bedrohungslagen nicht mehr 
zweckgerechten Auslegung dieser Bestimmungen. 

Der Einsatz der Streitkräfte als solcher wie auch der Einsatz spezifisch 
militärischer Kampfmittel kommt allerdings nur unter engen 
Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sind die 
verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87a Abs. 4 GG zu 
berücksichtigen, der vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen den 
Einsatz der Streitkräfte zur Bewältigung innerer Auseinandersetzungen 
besonders strengen Beschränkungen unterwirft. Diese Beschränkungen 
dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass der Einsatz statt auf der 
Grundlage des Art. 87a Abs. 4 GG auf der des Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG 
erfolgt. 

Enge Grenzen sind dem Streitkräfteeinsatz im Katastrophennotstand nach 
Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG durch das Tatbestandsmerkmal 
des besonders schweren Unglücksfalls gesetzt. Hiervon erfasst werden nur 
ungewöhnliche Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes. 
Insbesondere stellt nicht eine Gefahrensituation, die ein Land mittels 
seiner Polizei nicht zu beherrschen imstande ist, allein schon aus 
diesem Grund einen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 
Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG dar. Die Voraussetzungen des besonders 
schweren Unglücksfalls gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bestimmen sich in 
Abgrenzung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz der 
Streitkräfte im inneren Notstand. Auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2 
und 3 GG können Streitkräfte daher nur in Ausnahmesituationen eingesetzt 
werden, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind. So 
stellen namentlich Gefahren für Menschen und Sachen, die aus oder von 
einer demonstrierenden Menschenmenge drohen, keinen besonders schweren 
Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG dar. Denn nach Art. 87a Abs. 4 Satz 
1 GG dürfen selbst zur Bekämpfung organisierter und militärisch 
bewaffneter Aufständischer Streitkräfte auch dann, wenn das betreffende 
Land zur Bekämpfung der Gefahr nicht bereit oder in der Lage ist, nur 
unter der Voraussetzung eingesetzt werden, dass Gefahr für den Bestand 
oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines 
Landes besteht. 
Schließlich muss der Unglücksfall bereits vorliegen. Dies setzt zwar 
nicht notwendigerweise einen bereits eingetretenen Schaden voraus. Der 
Unglücksverlauf muss aber bereits begonnen haben und der Eintritt eines 
katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 
unmittelbar bevorstehen. 

Der Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer 
Abwehrmittel ist zudem auch in einer solchen Gefahrenlage nur als ultima 
ratio zulässig. Eine umfassende Gefahrenabwehr für den Luftraum mittels 
der Streitkräfte kann auf Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht gestützt werden. 

3. Anordnungskompetenz der Bundesregierung 

Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ermächtigt allein die Bundesregierung als 
Kollegialorgan, im Fall des überregionalen Katastrophennotstandes 
Einheiten der Streitkräfte einzusetzen. Danach besteht auch für Eilfälle 
weder eine Befugnis der Bundesregierung, die ihr zugewiesene 
Beschlusszuständigkeit auf ein einzelnes Mitglied zur delegieren, noch 
eine Befugnis des Gesetzgebers zu einer abweichenden 
Zuständigkeitsbestimmung. Die Ressortzuständigkeit der Bundesminister 
(Art. 65 Satz 2 GG) und die Zuweisung der Befehls- und Kommandogewalt 
über die Streitkräfte an den Bundesminister der Verteidigung (Art. 65a 
GG) können eine abweichende Auslegung nicht begründen, weil Art. 35 Abs. 
3 Satz 1 GG für die Befugnis, über den Einsatz der Streitkräfte im 
überregionalen Katastrophennotstand zu entscheiden, eine speziellere 
Regelung trifft. Eine abweichende Zuständigkeit für Eilfälle kann auch 
nicht aus einem auf wirksame Gefahrenabwehr gerichteten Zweck des Art. 
35 Abs. 3 GG oder aus staatlichen Schutzpflichten abgeleitet werden. Für 
die Auslegung der Vorschriften zum Streitkräfteeinsatz im Inneren, die 
in einer politisch hochumstrittenen Materie als Ergebnis ausführlicher, 
kontroverser Diskussionen zustande gekommen sind, gilt das Gebot 
strikter Texttreue. Jedenfalls deshalb verbietet sich eine auf die 
Vermeidung von Schutzlücken gerichtete teleologische 
Verfassungsinterpretation, die vom bewusst und in Übereinstimmung mit 
der Systematik gewählten Wortlaut abweicht. 

Sondervotum des Richters Gaier:

Das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung schließt den 
Kampfeinsatz der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen 
Waffen sowohl in Fällen des regionalen (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG) wie in 
Fällen des überregionalen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG) 
Katastrophennotstandes aus. Mit seiner Antwort auf die zweite 
Vorlagefrage würdigt das Plenum weder hinreichend den Wortlaut der 
einschlägigen Verfassungsnormen unter Berücksichtigung der 
Entstehungsgeschichte noch erfolgt eine systematische Auslegung mit 
Blick auf die Einheit der Verfassung als „vornehmstes 
Interpretationsprinzip“. Insoweit hat der Plenarbeschluss im Ergebnis 
die Wirkungen einer Verfassungsänderung. 

1. Auch und gerade seitdem nach der Notstandsgesetzgebung anders als vor 
1968 der Einsatz des Militärs im Inneren nicht mehr schlechthin 
unzulässig ist, bleibt strenge Restriktion geboten. Es ist 
sicherzustellen, dass die Streitkräfte niemals als innenpolitisches 
Machtinstrument eingesetzt werden. Abgesehen von dem extremen 
Ausnahmefall des Staatsnotstandes, in dem nur zur Bekämpfung 
organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer als letztes 
Mittel auch Kampfeinsätze der Streitkräfte im Inland zulässig sind (Art. 
87a Abs. 4 GG), bleibt die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit 
allein Aufgabe der Polizei. Ihre Funktion ist die der Gefahrenabwehr und 
nur über hierfür geeignete und erforderliche Waffen darf die Polizei 
verfügen; hingegen sind Kampfeinsätze der Streitkräfte auf die 
Vernichtung des Gegners gerichtet, was spezifisch militärische 
Bewaffnung notwendig macht. Mit dieser strikten Trennung zieht unsere 
Verfassung aus historischen Erfahrungen die gebotenen Konsequenzen und 
macht den grundsätzlichen Ausschluss der Streitkräfte von bewaffneten 
Einsätzen im Inland zu einem fundamentalen Prinzip des Staatswesens. Wer 
hieran etwas ändern will, muss die zu einer Verfassungsänderung 
erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten für sich gewinnen, was 
Anfang 2009 nicht gelungen ist. Es ist nicht Aufgabe des 
Bundesverfassungsgerichts, hier korrigierend einzugreifen. 

2. Dass ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischer Bewaffnung in 
beiden Fällen des Katastrophennotstandes von Verfassungs wegen untersagt 
ist, lässt sich mit einer historischen Verfassungsinterpretation, vor 
allem aber mit einer systematischen Auslegung des Grundgesetzes 
begründen. Entgegen der Auffassung des Plenums hat der Rechtsausschuss 
des Bundestages im Rahmen der Notstandsgesetzgebung im Jahr 1968 eine 
klare Entscheidung getroffen und in seinem damaligen Bericht, der 
Grundlage für den Gesetzgebungsbeschluss des Bundestages zur 
Verfassungsänderung war, unmissverständlich vorgeschlagen, den Einsatz 
militärisch bewaffneter Streitkräfte auf den Staatsnotstand als eine 
besonders gefährdende Situation des inneren Notstandes (Art. 87a Abs. 4 
GG) zu beschränken. Zudem lässt das Plenum völlig außer Acht, dass zur 
Zeit der Notstandsgesetzgebung eine weitergehende Zulassung des 
Einsatzes militärisch bewaffneter Einheiten der Streitkräfte im Inneren 
politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Im Einklang damit steht die 
Systematik, die das Grundgesetz mit der Implementierung der 
„Notstandsverfassung“ erfahren hat. Die strikte Trennung der Regelung 
des Katastrophennotstandes einerseits von der des inneren Notstandes 
andererseits belegt, dass diese beiden Fälle des Streitkräfteeinsatzes 
im Inneren völlig unterschiedliche, sich nicht überschneidende 
Anwendungsbereiche haben und deshalb nicht durch die Zulassung 
spezifisch militärischer Bewaffnung auch in Fällen des 
Katastrophennotstandes vermengt werden dürfen. Zudem lässt auch der 
Umstand, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der 
Bundesregierung einem Kollegialorgan die Zuständigkeit für die 
Einsatzentscheidung zuweist, nur den Schluss zu, dass er von vornherein 
den Einsatz spezifisch militärischer Waffen im Katastrophennotstand 
nicht für erforderlich hielt und damit auch nicht legitimieren wollte. 
Denn Gefährdungslagen, denen effektiv nur mit dem Einsatz solcher Waffen 
mit Vernichtungskraft begegnet werden kann, sind dadurch gekennzeichnet, 
dass ihrer Beseitigung jede zeitliche Verzögerung abträglich ist. Daher 
wäre die Betrauung eines in der Entscheidungsfindung vergleichsweise 
schwerfälligen Kollegialorgans mit der Initiativbefugnis zum 
Einschreiten gerade auch mit Blick auf die vom verfassungsändernden 
Gesetzgeber angestrebte „wirksame Bekämpfung“ dysfunktional. 

3. Der Plenarbeschluss kann mit den von ihm entwickelten Kriterien eine 
Umgehung der engen Voraussetzungen des inneren Notstandes nach Art. 87a 
Abs. 4 GG durch die weniger strengen Voraussetzungen des 
Katastrophennotstandes nicht verhindern. Der Versuch der weiteren 
Eingrenzung des bewaffneten Streitkräfteeinsatzes durch das Erfordernis 
eines „unmittelbar bevorstehenden“ Schadenseintritts „von 
katastrophischen Dimensionen“ wird der nötigen Klarheit und 
Berechenbarkeit nicht gerecht. Es handelt sich um gänzlich unbestimmte, 
gerichtlich kaum effektiv kontrollierbare Kategorien, die in der 
täglichen Anwendungspraxis - etwa bei regierungskritischen 
Großdemonstrationen - viel Spielraum für subjektive Einschätzungen, wenn 
nicht gar voreilige Prognosen lassen. Das ist jedenfalls bei 
Inlandseinsätzen militärisch bewaffneter Streitkräfte nicht hinnehmbar. 
Im Schatten eines Arsenals militärischer Waffen kann freie 
Meinungsäußerung schwerlich gedeihen. 

4. Im Übrigen bietet der durch den Plenarbeschluss nun erweiterte 
Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Inneren für den Schutz der 
Bevölkerung namentlich vor terroristischen Angriffen keine messbaren 
Vorteile. Zwar mag es danach nunmehr zulässig sein, dass Kampfflugzeuge 
unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 LuftSiG „Luftfahrzeuge 
abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen 
oder Warnschüsse abgeben“. Die erfolgreiche Gefahrenabwehr durch solche 
Maßnahmen wird allerdings insbesondere in „Renegade“-Fällen deshalb 
wenig wahrscheinlich sein, weil der Abschuss von Flugzeugen, in denen 
sich Passagiere und Besatzungsmitglieder befinden, mit dem Grundrecht 
auf Leben in Verbindung mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar 
ist und unzulässig bleibt. Es kommt hinzu, dass - auch nach der 
Auffassung des Plenums - ohne Verfassungsänderung allein die 
Bundesregierung nach Maßgabe des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG über den 
Einsatz militärischer Waffen gegen Luftfahrzeuge befinden kann, was 
angesichts des vergleichsweise kleinen deutschen Luftraums kaum jemals 
zu einer rechtzeitigen Maßnahme führen wird. Soll danach der Rahmen, den 
das materielle Verfassungsrecht für eine effektive Abwehr von Gefahren 
aus dem Luftraum lässt, genutzt werden, so ist trotz der nun erweiterten 
Zulässigkeit von Kampfeinsätzen eine Verfassungsänderung gleichwohl 
unvermeidlich. 

Pressemitteilung Nr. 63/2012 vom 17. August 2012
Beschluss vom 3. Juli 2012
2 PBvU 1/11

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