Mittwoch, 29. August 2012

Streik der Flugbegleiter

Wer zur Zeit mit der Lufthansa fliegt, muss bei Streik mit Verspätungen rechnen; schlimmstenfalls können auch Flüge annuliert werden. Hier stellt sich die spannende Frage, wie das dann eigentlich rechtlich geregelt wird. Hier mal drei teils widersprüchliche Pressemitteilungen; die erste vom ADAC, die zweite von der Verbraucherzentrale Sachsen, die dritte von der Verbraucherzentrale Niedersachsen:


Bei Annullierung muss das Ticket voll erstattet werden - ADAC: Auch bei großer Verspätung gibt es Geld zurück

Reisende müssen ab morgen (29.08.2012 - Anm. d. Red.) mit Streiks der Flugbegleiter und damit auch mit Verspätungen im Flugverkehr rechnen. Für verunsicherte Fluggäste hat der ADAC wichtige Informationen zusammengestellt:

Werden Flüge aufgrund des Streiks annulliert, erhalten Passagiere von den Fluggesellschaften den kompletten Ticketpreis inklusive Steuern und Gebühren zurück. Alternativ besteht ein Anspruch auf
kostenlose Umbuchung. Die Fluggesellschaft ist zudem verpflichtet, eine Beförderung mit anderen Verkehrsmitteln zu vergleichbaren Reisebedingungen anzubieten. Startet der Flieger mit einer Verspätung von mehr als fünf Stunden, kann der Passagier entscheiden, ob er die Reise noch antritt. Tut er es nicht, muss die Fluggesell-schaft den Komplettpreis des Tickets erstatten.

Anders verhält es sich bei Pauschalurlaubern. Ihnen ist es bei einer längeren Reise zuzumuten, diese anzutreten. Es besteht also bei einer nur kurzen Streikdauer kein Recht zur Kündigung des Reisevertrags. Sollten die Streiks jedoch länger andauern, ist wegen erheblichen Änderungen des Reiseumfangs eine Kündigung der Pauschalreise gegenüber dem Reiseveranstalter gerechtfertigt. Für die Beurteilung der Rechtslage dürfte das Verhältnis zwi-schen Verzögerung der Anreise und Dauer des Aufenthalts maßgebend sein. Verkürzt sich der Aufenthalt, steht dem Reisenden eine anteilige Erstattung des Reisepreises zu.

Individualreisende können zwar die Flugkosten zurückverlangen, müssen aber das gebuchte Hotel bzw. die anfallenden Stornokosten trotzdem bezahlen. Die Anreise zum Urlaubsort ist ihr eigenes Risiko.

Dank der EU-Fluggastrechteverordnung ist die Fluggesellschaft verpflichtet, wartenden Gästen Mahlzeiten und Erfrischungen im angemessenen Verhältnis zur Wartezeit unentgeltlich anzubieten. ADAC Juristen empfehlen Flugreisenden, ihren Anspruch auf derartige Betreuungsleistungen bei den Fluggesellschaften einzufordern. Nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung wird ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bzw. Schadenersatz wegen großer Verspätung (mehr als drei Stunden) oder Annullierung eines Flugs auch bei Streik des eigenen Personals kaum in Betracht kommen. Anders ist dies nur, wenn die Fluggesellschaft keine geeigneten Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung der Streikfolgen – etwa durch Einrichtung eines Ersatzflugplans – ergriffen hat.

Pressemitteilung ADAC, vom 28.08.2012

Hier jedoch die Meldung von der Verbraucherzentrale Sachsen:

Verbraucherzentrale Sachsen: Kaum Chancen auf Ausgleichszahlungen für Passagiere nach der Fluggastrechteverordnung 

Nachdem der Bundesgerichtshof am 21.08.2012 entschieden hat, dass Passagieren keine Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung zustehen, wenn Flüge wegen angekündigter Pilotenstreiks annulliert werden, bereitet sich exakt 1 Woche danach die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo auf unbefristete und flächendeckende Arbeitsniederlegungen vor. Das heißt für Fluggäste, dass sie sich ausgerechnet zum Ende der Ferienzeit auf erhebliche Verspätungen und Annullierungen bei Lufthansa-Flügen einstellen müssen.

Grundsätzlich stehen den Passagieren Ausgleichszahlungen bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung oder wegen Annullierung oder auch bei Ankunftsverzögerungen von mehr als 3 Stunden je nach Entfernung in Höhe von 250 €, 400 € oder 600 € zu. Das gilt nur dann nicht, wenn sich die Airline durch außergewöhnliche Umstände entlasten kann, die sich auch nicht hätten vermeiden lassen, wenn sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Am 21.08.2012 (AZ: X ZR 138/11) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Lufthansa mit einem Sonderflugplan geeignete und zumutbare Maßnahmen ergriffen hatte, um Annullierungen in Folge des Streiks auf das unvermeidbare Maß zu beschränken und sprach die Fluggesellschaft somit von der Pflicht frei, Ausgleichszahlungen zu leisten. "Damit sind die Chancen auf Ausgleichszahlungen für Flugpassagiere, die von den jetzt angekündigten Streiks betroffen sein werden, drastisch gesunken", so Bettina Dittrich, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen.

Auch wenn der Bundesgerichtshof damit keinen "Freifahrtsschein" für Airlines ausgesprochen hat, mit dem sie sich quasi in jedem Falle des Streiks von Piloten, Flugbegleitern oder auch Fluglotsen entlasten können, dürfte es im Einzelfall schwer fallen, einer Airline nachzuweisen, dass sie nicht alles Zumutbare getan hat, um den Flugbetrieb doch noch aufrecht zu erhalten.

Auf der anderen Seite heißt das jedoch nicht, dass die Airline nicht verpflichtet ist, die Passagiere anderweitig umfassend zu betreuen und Unterstützungsleistungen zu gewähren. Das bedeutet, dass der Fluggast nach wie vor das Wahlrecht zwischen vollständiger Erstattung des Flugpreises bei Flugstörung bereits am ersten Abflugort oder Erstattung des Flugpreises für nicht geflogene Strecken und ggf. kostenlosen Rückflug zum Ausgangsort bei zwecklos gewordenem Flug hat. Ihm steht jedoch auch das Recht der anderweitigen Beförderung zum Ziel zum frühestmöglichen oder wunschgemäßem Zeitpunkt zu.
Die gleichen Rechte hat der Fluggast bei einer Abflugverzögerung ab 5 Stunden. "In jedem Falle stehen ihm Betreuungsleistungen, d. h. Essen, Getränke, Telefonkarte und bei Weiterbeförderung erst am nächsten Tag auch eine Hotelübernachtung mit Transfer zu", so die Verbraucherzentrale Sachsen.

Pressemitteilung Verbraucherzentrale Niedersachsen:

Verbraucherzentrale Niedersachsen informiert Reisende über ihre Rechte

Kurz vor Ferienende droht die Flugbegleitergewerkschaft Ufo mit Streiks bei der Lufthansa. Auf Flugreisende könnten Verspätungen oder gar Flugausfälle zukommen.

Informationen über die Rechte von Fluggästen oder Pauschalreisenden bietet die Verbraucherzentrale Niedersachsen auf ihrer Startseite.

Erst kürzlich hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Streiks Passagiere keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung haben. Streiks zählen demnach wie extrem schlechtes Wetter zu den "außergewöhnlichen Umständen". In solchen Fällen müssen Fluggesellschaften nicht zahlen.

Auch wenn Reisende auf Ausgleichszahlungen verzichten müssen, so haben sie dennoch anderweitige Rechte und können Ansprüche geltend machen.

Telefonische Beratung zum Thema gibt es auch am Verbrauchertelefon unter 0900 1 7979-02, montags bis donnerstags von 10 bis 16 Uhr (für 1,50 Euro/Minute aus dem deutschen Festnetz - Mobilfunkpreise abweichend).


 

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