Donnerstag, 21. November 2013

Änderung der Rechtsprechung zum Arbeitszeugnis?




Beim Streit über die Bewertung des Arbeitnehmers in Zeugnissen gehen die Gerichte  davon aus, dass man im Zweifel - also wenn keine der beiden Parteien bessere oder schlechtere Leistungen nachweisen kann - eine durchschnittliche Bewertung verlangen kann. Urteil vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03)

Das wiederum wäre eine "befriedigend", oder in der Zeugnissprache ausgedrück, eine Leistung "zur vollen Zufriedenheit". Davon ging auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung im Jahre 2003 aus.

Mittlerweile ist aber die BEFRIEDIGEND-Note nicht mehr der Durchschnitt.
Angesichts aktueller emprischer Studien soll in ca. 86 % der erteilten Arbeitszeugnisse eine mindestens GUTE Leistung bescheinigt werden, also "stets zur vollen Zufriedenheit".




Der zwischenzeitlich ausgeschiedene Vorsitzende des 9. Senates des BAG, Herr Düwell, hatte im Jahre 2011 auf zwei empirische Untersuchungen hingewiesen, aus denen sich ergibt, dass die Mehrzahl der Zeugnisse mit gut oder sehr gut bewertet werden (NZA 2011, 958), und angekündigt, dass sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dazu möglicherweise ändern wird.

Die Instanzrechtsprechung hat durch ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 21.03.2013 – 18 Sa 2133/12) reagiert und entsprechend festgestellt, dass ein durchschnittliches Zeugnis der Bewertung gut, also “stets zur vollen Zufriedenheit” entspricht.

Bereits das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.10.2012, 28 Ca 18230/11) hat sich dieser neueren Ansicht angeschlossen.Nach dem Arbeitsgericht Berlin soll daher im Streitfall dem Arbeitnehmer nicht länger die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt werden, dass er eine gute Arbeitsleistung erbracht hat. Im Berufungsverfahren wurde die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg (Urteil v. 21.03.2013 18 Sa 2133/12) bestätigt. In den Entscheidungsgründen nimmt das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg auf die Entscheidung des BAG vom 14.10.2003 Bezug und stellt klar, dass ausweislich von neueren Studien nach dem neueren Verständnis des Wirtschaftsleben bei einer Leistungsbewertung mit befriedigend eben keine durchschnittliche Bewertung mehr vorliegt, so dass nunmehr der Arbeitgeber darzulegen hat, dass keine gute Arbeitsleistung erbracht wurde. Die Revision wurde zugelassen; das Revisionsverfahren ist derzeit beim BAG anhängig.  Man nimmt an, dass das BAG diese Entwicklung bestätigen wird.

Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat sich bereits im Jahr 2010 gegen die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anlässlich eines gerichtlich geltend gemachten Zeugnisberichtigungsanspruchs einer Arbeitnehmerin gestellt. Dort ging es allerdings um eine andere Formulierung:

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00) besitzt ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine abschließende Bedauerns-, Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sprach einer Arbeitnehmerin hingegen mit Urteil vom 03.11.2010 (12 Sa 974/10) zumindest bei einem ansonsten guten Zeugnis einen Anspruch auf eine abschließende Bedauerns-, Dankes-, und Wunschformel zu, da die fehlende Abschlussformulierung mangelndes Wohlwollen ausdrückt und somit der Verdacht eines gewollten Geheimcodes bestehen würde (via Pressemitteilung Kanzlei Wasiela)

Siehe auch:

http://www.kanzlei-wasiela.de/news-arbeitsrecht/arbeitszeugnis/
http://www.arbrb.de/blog/2013/11/18/ist-stets-zur-vollen-zufriedenheit-der-durchschnitt/


Kontrollfrage für Schüler und Studenten: Wo ist der Zeugnisanspruch für den Arbeitnehmer geregelt? Richtig, in § 109 GewO. Der ursprüngliche § 630 BGB gilt seit vielen Jahren nur noch für die Dienstverträge von Selbständigen und sollte bei Arbeitnehmern nicht zitiert werden.

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