Pressemitteilung Transparency International, Brüssel/Berlin, 06.06.2012:
  
Europäischer Integritätsbericht: Transparency fordert Reformen zur Stärkung der Antikorruptionspolitik in 25 untersuchten Ländern
Die Antikorruptionsorganisation 
Transparency International hat heute den Europäischen Integritätsbericht
 veröffentlicht. Der Bericht basiert auf 25 nationalen Berichten, die 
zentrale öffentliche und private Institutionen auf ihre Maßnahmen zur 
Korruptionsvermeidung und –bekämpfung untersuchen. Die Analyse zeigt, 
dass in allen Ländern Regelungslücken und Umsetzungsdefizite bestehen. 
Auch Deutschland kann von anderen Ländern lernen.
Große regionale Unterschiede
Am
 besten schneiden die Länder Dänemark, Norwegen und Schweden ab. Doch 
auch hier besteht Reformbedarf, z. B. existieren in Schweden keine 
verbindlichen Regelungen zur Parteienfinanzierung. In Griechenland, 
Portugal und Spanien mangelt es vor allem an Sanktionsmöglichkeiten 
gegen Fehlverhalten und Korruption. Besorgniserregend sind die 
Entwicklungen in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Die Fülle neuer 
Regelungen hat in Rumänien und Bulgarien nicht zu einem Verhaltenswandel
 geführt.  
Das deutsche Integritätssystem wird insgesamt gut 
bis sehr gut bewertet, doch mangelt es an einem kohärenten Ansatz der 
Korruptionsbekämpfung. Von den 25 untersuchten Ländern haben nur 
Deutschland und die Tschechische Republik die UN-Konvention gegen 
Korruption (UNCAC) nicht ratifiziert. Voraussetzung für die Ratifikation
 in Deutschland ist die Verschärfung des Straftatbestands der 
Abgeordnetenbestechung. Sie ist eine von „84 Forderungen für eine 
integere Republik“, die im Nationalen Integritätsbericht Deutschland 
veröffentlicht wurden.
Von guten Beispielen lernen
Edda
 Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Der Europäische 
Integritätsbericht zeigt, dass Deutschland nicht der Musterschüler 
Europas ist. Ein Blick zu unseren europäischen Partnern täte uns gut. 
Beispielhaft und nachahmenswert sind z. B. die Regelungen Lettlands für 
die Veröffentlichung  von Parteienspenden und  Nebeneinkünften von 
Abgeordneten. Besser als Deutschland hat die Slowakei den Zugang zu 
Informationen der Verwaltung geregelt. Von der Schweiz können wir 
lernen, wie das Vergabewesen transparenter gestaltet werden kann.“
1) Parteienfinanzierung in Lettland
Spätestens
 15 Tage nach Eingang einer Parteispende ist die Stelle für 
Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zu informieren. In einer
 online-Datenbank werden Empfänger, Herkunft, Höhe und Datum der Spende 
bekannt gegeben. 
Stand in Deutschland: Parteienspenden werden 
erst ab einer Höhe von 10.000 Euro veröffentlicht. Diese werden zurzeit 
erst bis zu 18 Monate später veröffentlicht. Nur für Spenden über 50.000
 Euro gilt eine unmittelbare Veröffentlichungspflicht. 
2) Veröffentlichung von Nebeneinkünften in Lettland
In
 Lettland machen Abgeordnete und politische Beamte weitreichende Angaben
 zu ihrem Einkommen, Eigentum, Aktien und anderen Aktiva, Spareinlagen, 
finanziellen Transaktionen, Schulden und Krediten.
Stand in 
Deutschland: Die Höhe der  Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten 
wird lediglich in drei Stufen (1.000 - 3.500 Euro; 3.500 - 7.000 Euro; 
über 7.000 Euro) veröffentlicht. Es bestehen keine Pflichten zur 
Veröffentlichung von Vermögen.
3) Informationsfreiheit in der Slowakei
Das
 Informationsfreiheitsgesetz der Slowakei gewährt Einzelpersonen und 
Organisationen das Recht auf Akteneinsicht innerhalb von zehn Tagen. 
Seit dem Jahr 2010 sind Verträge zu veröffentlichen, die von 
öffentlichem Interesse sind.
Stand in Deutschland: Das Berliner 
Informationsfreiheitsgesetz ist das einzige Gesetz, das eine Klausel zur
 Abwägung von Ausnahmetatbeständen (insbesondere Betriebs- und 
Geschäftsgeheimnisse) gegen das Interesse der Öffentlichkeit beinhaltet.
 In fünf Bundesländern steht die Einführung eines 
Informationsfreiheitsgesetzes aus.
4) Schweizer e-Vergabeplattform
Auf der Schweizer Onlineplattform www.simap.ch
 werden öffentliche Ausschreibungen des Bundes und teilweise auch der 
Kantone detailliert dokumentiert. Es werden Auszeichnungen für das beste
 Preis-Leistungsverhältnis vergeben und es besteht die Möglichkeit, 
Anbieter auszuschließen, die falsche Angaben machen. 
Stand in Deutschland: Im Gegensatz zur Schweizer Vergabeplattform wird auf der Webseite der öffentlichen Verwaltung (www.bund.de)
 die Auftragssumme nach Abschluss des Vergabeprozesses nicht 
veröffentlicht. Zudem ist die Veröffentlichung auf der Vergabeplattform 
nicht verpflichtend. 
Hintergrund
Lesen Sie den vollständigen Bericht in englischer Sprache Money, Politics and Power: Corruption Risks in Europe (pdf, 2,86 MB) oder hören Sie einen Podcast in deutscher Sprache mit Finn Heinrich, Forschungsdirektor von Transparency International. 
Nationale
 Integritätsberichte wurden in folgenden Ländern erstellt: Belgien, 
Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, 
Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, 
Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, 
Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn.
Der
 Nationale Integritätsbericht Deutschland wurde im Januar 2012 
veröffentlicht und enthält „84 Forderungen für eine integere Republik“. 
Den Bericht und weitere Informationen finden Sie auf: www.nis.transparency.de  
Der
 Europäische Integritätsbericht und die Länderberichte werden vom 
Programm Kriminalprävention und Kriminalbekämpfung der Generaldirektion 
Inneres der Europäischen Kommission finanziell unterstützt. Das 
einheitliche Konzept zur Untersuchung des nationalen Integritätssystems 
wurde von Transparency International entwickelt.
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